Mythen und Lügen ranken sich um die Etymologie eines Drinks, der wie eine Legende seinen Weg in unser kulturelles Gedächtnis gefunden hat. Jede Menge Fusel mit Sprudellimo aus Plastikflaschen wurde auf seine Kosten in die Kehlen Unschuldiger gekippt und nur der Gott des Entsetzens weiß, wie viele Liter noch folgen werden. Und doch hat sich um Gin Tonic ein wahrer Kult entwickelt, der dem Drink einen sicheren Platz in den irgendwann geschriebenen Bar-Annalen unserer Zeit sichert. Zum heutigen Gin Tonic Day, einem weltweiten Feiertag zu Ehren des köstlichen Longdrinks, möchte ich dir deswegen eine Geschichte erzählen. Seine Geschichte. Die Geschichte eines Drinks, den zu feiern wir heute aufgerufen werden. Und solange du noch kannst, ehre ihn mit mir und lies diesen Beitrag. Mit einem wohlgeformten Gin Tonic in der Hand.
Eine Lüge! Aber eine schöne Geschichte…
Die bis heute verbreitetste Geschichte zur Entstehung des Kultgetränks ist wirklich sexy, aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schlicht unwahr. In der tropischen Hitze des indischen Subkontinents ging es den britischen Kolonisten schlecht, sehr schlecht. Sie vermissten die Kühle, die frische Luft und bekamen stattdessen von kleinen Plagegeistern eine sehr, sehr tödliche Krankheit namens Malaria verpasst. Bereits im 18. Jahrhundert war es üblich, in Sodawasser gelöstes Chinin als Medizin gegen alles Mögliche zu verschreiben, so auch gegen Malaria.
Geschmacklich war dieser Drink eher bitter, also setzte man Zucker, Zitrone und Gin zu, auch der guten Laune wegen. So soll die Urform des Gin Tonic entstanden sein. Süß, aber leider nicht wahr. Es handelt sich um einen klassischen Mythos, der viele kleine Wahrheiten zu einer großen Lüge zusammenschusterte. Wer das war, ist nicht überliefert. Doch die Grundlagen sind die Wahrheiten, die uns weiterhelfen.
Also nochmal zum Anfang: Was ist eigentlich Soda?
Wir holen sehr weit aus, wirklich weit. Dadurch bekommen wir einen Namen in dieser Geschichte, der für den Gin Tonic Day eine wichtige Rolle spielt. Sodawasser galt schon in der Antike als Heil- und Kurmittel. Davon zeugt die Bäderkultur, die sich durch die Geschichte belegen lässt. Dass auch mit dem Wasser selbst Geld verdient werden konnte, wurde spätestens im 16. Jahrhundert in Deutschland entdeckt. In Flaschen abgefüllt und exportiert, gab es schnell einen wachsenden Markt. Doch nicht jeder hatte eine Quelle mit natürlichem Mineralwasser vor der Haustür, den Wunsch nach Geld jedoch schon. Also ein paar Kriege geführt und umverteilt.
Die übrig Gebliebenen fingen also an, künstliches Soda herzustellen. Joseph Priestley gelang das 1772 als Erstem, kommerziell nutzte den Durchbruch 1781 Thomas Henry mit der Gründung der ersten Fabrik für die Herstellung künstlichen Sodas.
Sodawasser schmeckte nicht nur gesund, sondern anders
Der besondere Geschmack des leicht laugigen Mineralwassers mit natürlicher Kohlensäure blieb natürlich nicht unentdeckt. Dass es heilen konnte, war schön und gemischt mit Brandy als Brandy Soda konnte das ja nur besser werden. War kein Brandy da oder konnte man sich (wie die breiter werdende Mittelschicht, die der Oberschicht nacheiferte) keinen Brandy leisten, wurde eben improvisiert.
Allerdings dauerte es noch etwas bis zum Gin Tonic. 1835 erfand Stephen Price im Promischuppen Garrick Club in London einen Gin Punch mit Sodawasser, der im Laufe der Zeit im weltberühmten Limmer’s Hotel um die Komponenten Zitrone und Zucker erweitert wurde. Die Urform des Gin Tonic ist erschaffen und bekam den Namen seines Erfinders, der bis heute eine ganze Cocktailsparte bezeichnet: der Collins!
Zu Erfindung des Gin Tonic fehlt nur noch eins: Tonic Water
Der Unterschied zwischen Tonic Water und Soda ist in seiner Urform einfach zu definieren: Chinin! Chinin spielte vor allem in der Medizin eine wesentliche Rolle, da es tatsächlich Symptome der auch in Europa verbreiteten Malaria bekämpft (daher auch der Mythos von oben). Das Extrahieren des Chinins gelang im 19. Jahrhundert und man stellte fest, dass es sich nur schlecht in Wasser auflöst.
Die Zugabe von Säure half zwar, doch am besten löste es sich in Alkohol auf. Ein gewisser Erasmus Bond meldete also ein Patent an, mit dem Namen Quinine Tonic Water. Schweppes folgte kurze Zeit später mit anderer Rezeptur und dem legendären Indian Tonic Water.
Was das Dschungelbuch mit Gin Tonic zu tun hat
Kommt schon, Menschen des 19. Jahrhunderts: Sodawasser, Gin, Brandy Soda, Gin Punch, Collins und jetzt auch noch Tonic Water, ihr hattet doch schon alles. Dennoch ist kein brillanter Barkeeper mit einem Nobelpreis und der Erfindung des Gin Tonic in den Geschichtsbüchern zu finden. Zunächst tauchen Gin und Tonic gemeinsam eher beiläufig auf und ohne explizit zu werden auf, etwa in Sportmagazinen zum Pferdesport.
So 1868 im Oriental Sporting Magazine. Etwas später beklagt ein Leser in der Sporting Times, dass er in Indien leicht an Tonic Water kam und dort ein regelrechter Hype um Gin und Tonic als Getränk entfacht sei. Monumental wird es 1885: Rudyard Kipling trinkt Gin und Tonic Water! Nicht nur gegen Malaria, auch wenn es helfe, sondern einfach, weil es geil ist.
Also wer hat denn jetzt den Gin Tonic erfunden?
Unsexy, aber vermutlich war – es gibt keinen Erfinder. Kein Feuerwerk. Kein Kanonenfeuer. Nur jede Menge smarte und durstige Menschen auf dem Globus, die eins und eins zusammengezählt haben. Ein Collins und Tonic Water ergeben unseren Gin Tonic, den wir heute mit dem Gin Tonic Day feiern. Ist eigentlich auch nicht schlimm, dennoch erzähle ich viel lieber die Geschichte der Malariakranken, die sich heilen und ganz beiläufig auch belustigen wollten.
Einfach, weil die Geschichte besser zu einem Feiertag wie dem Gin Tonic Day passt. Ich hoffe, du siehst das genauso, wenn du irgendwann in einer Bar sitzt und gefragt wirst, wie der Gin Tonic entstanden ist. Damit würdest du mir eine große Freude machen.
Mehr Wissenswertes zu Gin Tonic am Gin Tonic Day
Wir im EAT CLUB wollen immer alles wissen. Deswegen haben wir uns auch schon vor dem Gin Tonic Day mit dem Thema befasst. Und weil es neben dem Gin Tonic Tag auch andere, ganz wichtige Food-Feiertage gibt, gibt es bei uns jede Menge lesenswerten Krams zu entdecken. Schau dich doch mal in unserer Gut zu Wissen Rubrik und Kochschule um. Da steht nämlich sowas Schlaues:
Peace!
Übrigens: Unsere Rezepte gibt’s auch in der App – einfach downloaden!
Quellen: eigene Recherche; www.mixology.eu